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Brian Laurins Streifzüge durch Literatur und Leben - Kolumne 6


Ted Hughes, britischer Dichter

Wenn Ted Hughes (1930-1998) erwähnt wird, dann oft in Verbindung mit seiner Ehefrau Sylvia Plath, die sich 1963 30-jährig das Leben nahm. Hughes, wie seine Frau Dichter, war ab 1984 poet laureate, also Hofdichter des britischen Königshauses und wurde in seinem letzten Lebensjahr mit dem Order of Merit ausgezeichnet. Der Order of Merit ist ein britischer Orden zur Ehrung von Persönlichkeiten, die herausragende Leistungen beim Militär, in Wissenschaft, Kunst, Literatur oder auf anderen Gebieten erbracht haben.

 

Sein erster, 1957 veröffentlichter Gedichtband „The Hawk In The Rain“ thematisiert Überlebenskampf und Wettbewerb. Die ersten fünf Gedichte handeln von Tieren – Falke, Jaguar, Kakadu, Fuchs, Pferde -, einer lebenslangen Leidenschaft von Hughes. Weitere Gedichte behandeln u.a. gesellschaftliche Situationen und Kriegsgeschehnisse. Hughes' Gedichte sind oft von großer Schärfe. Sprachlich waren sie zu seiner Zeit bahnbrechend, zuletzt hatte man derlei Rhythmen zur Zeit des Middle English (1150-1500) genutzt. Auch führten seine Themen hinaus aus der Muffigkeit und Enge der angepassten Dichtung seiner Zeit.


Um Hughes tobte nach dem Tod seiner Frau eine heftige Kontroverse. Feministinnen warfen ihm vor, Sylvia Plath durch seine Untreue in den Tod getrieben zu haben. Gleichzeitig wurde sie zu einer Heiligen stilisiert. Auch heute noch polarisiert diese Geschichte, Ted Hughes wird in Internetforen teils wüst beschimpft. Ich habe gar nicht erst versucht, mich näher mit der Sache zu beschäftigen, merke bei mir jedoch eine Abneigung dagegen, Hughes die ganze Schuld an Plaths Suizid in die Schuhe zu schieben. Es ist bekannt, dass sie mit 20 einen ersten Suizidversuch unternahm, einige Jahre, bevor sie Hughes kennenlernte, und dass sie an einer manisch-depressiven Erkrankung litt. Depression ist eine Killerkrankheit. „Bis zu 15% der Patienten mit schweren, wiederkehrenden depressiven Störungen versterben durch Suizid. Zirka die Hälfte der Patienten mit depressiven Störungen begehen in ihrem Leben einen Suizidversuch“ (Deutsche Depressionshilfe). Ich finde es fragwürdig, bei einem Suizid eine lebensgefährliche Krankheit als wichtige Ursache für diesen Schritt zu vernachlässigen, wie es in manchen Kreisen getan wird.


Hughes erster Gedichtband ist schmal, er umfasst in der Faber Modern Classics-Ausgabe 54 Seiten. Auf dem Cover ist ein Foto des Dichters als junger Mann zu sehen, wie er mit aufgestützten Armen an einer Schiffsreling steht und aufs Wasser blickt. Als historische Notiz ist im Innern des Buches ein schriftlicher Dialog zwischen dem damaligen Direktor des Londoner Verlags Faber & Faber und T.S. Eliot, Lektor des Verlags und berühmter Dichter (The Waste Land) eingefügt. Eliot wird gefragt, was er von Hughes' Manuskript hält, es bestehe Unsicherheit in der Beurteilung und ob eine bloße Empfehlung ausreiche. Eliot macht auf sprachlich zurückhaltende, aber sehr deutliche Weise klar, dass er von Hughes' Gedichten überzeugt ist: „I´m inclined to think we should take him on now. Let´s discuss it.“ Diese Notiz stellt eine Nobilitierung für Hughes dar; der große Eliot hat anscheinend keinen Zweifel, dass er veröffentlicht werden sollte und setzt sich auf unnachahmlich britische Art (wobei er von Geburt Amerikaner war) für Hughes ein.


Dieses Detail und insgesamt die Schlichtheit der Gestaltung des Bändchens beeindruckten mich sehr, als ich es zum ersten Mal aufschlug. Mir kam in der Folgezeit der Gedanke, dass ich gerne etwas von Hughes' Schärfe in manchen Alltagssituationen zur Verfügung hätte, etwa wenn eine Verkäuferin den eigenen Fehler auf mich als Kunden abschieben will oder ein Busfahrer mich auslacht, weil ich in den falschen Bus gestiegen bin. Wenigstens kann ich in seinen Gedichten lesen und ihre präzise Sprache genießen, die die Dinge beim Namen nennt.

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