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Brian Laurins Streifzüge durch Literatur und Leben - Kolumne 13


Eine explosive Bande

Ich stöberte gerade in einem offenen Bücherschrank und dachte schon, da finde ich nichts, als mir ein Roman von Elfriede Jelinek in die Hände fiel. „Die Ausgesperrten“ (erschienen 1985). Jelinek, die ist sperrig, dachte ich, ich hatte mal in ein Buch von ihr hineingelesen, konnte damals nichts damit anfangen. Aber vielleicht jetzt! Ich nahm das Buch mit nach Hause und las es in relativ kurzer Zeit durch. Ein Fund, das war klar, das Buch behalte ich.

 

Es erzählt von einer Gruppe junger Leute, drei Gymnasiasten und einem Arbeiter (die Personen und Vorkommnisse beruhen auf einer wahren Geschichte). Diese versuchen, sich in einer Umwelt zu behaupten, in der die Erwachsenen ihnen jeden eigenen Weg ins Leben versperren. Sie verabreden sich dazu, Raubüberfälle zu begehen. Zugleich entspinnen sich zwischen den zwei Mädchen und zwei Jungen sexuell aufgeladene Beziehungen. Zwischen Arbeiterhaushalt, Kleinbürgermief und Oberschichtsverwahrlosung versuchen die vier, ihre je eigenen explosiven Bedürfnisse und Wünsche zur Geltung zu bringen und greifen aus lauter Frustration und Wut die sie umgebende österreichische Nachkriegsgesellschaft an, von der sie vorgelebt bekommen, dass Rücksichtslosigkeit und die Ausnutzung von Naivität und Dummheit überall verbreitet sind. Sie, die aus verschiedenen Gründen aus der Gesellschaft Ausgesperrten, verbünden sich zu einer Gang, die sich gewaltsam und aus vermeintlich höheren Prinzipien nimmt, was sie will.


Jelineks Sprache ist eine Besonderheit für sich. Sie fügt Platitüden und Werbesprüche auf sarkastische Weise zusammen, so dass fast jeder Satz eine scharfe inhaltliche Biegung macht, die das Prinzip der sprachlichen Desillusionierung der gesellschaftlichen Verhältnisse durchexerziert. Das wirkt aufrüttelnd und hebt ihre Sprache von anderen Autor*innen ab. Ich bin froh, dass ich das Buch riskiert habe, ich werde mir sicherlich noch weitere Jelinek-Romane vornehmen.

 

Anmerkung des Verlags: Dies ist der vorläufig letzte von Brian Laurins Streifzügen durch Literatur und Leben. Die dreizehn Kolumnen sind im Dezember 2019 im Rahmen der neuen Verlagssparte in gedruckter Form erschienen.


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